Am 22.06.2022 veranstaltete das TeRRIFICA-Team gemeinsam mit Alexander Kunz, dem Klimaschutzmanager der Stadt Vechta, eine Klima-Tour durch Vechta. Die Gruppe von 16 Personen radelte an diesem Nachmittag vom Zitadellenpark bis zum Welper Wald und machte unterwegs Station an verschiedenen Orten, um über sichtbare oder spürbare Folgen des Klimawandels und geeignete Klimaanpassungsmaßnahmen zu sprechen.
Klimaanpassung im Garten – Wie geht das? Erster Zwischenstopp im Zitadellenpark. Foto: Hannah Hoff
In passendem Ambiente stand bei der ersten Station im Zitadellenpark das Thema Klimaanpassung bei der Gartengestaltung im Fokus. Besonders ging es um das Thema Regenwasserspeicherung und -nutzung und um Lebensräume und Nahrung für Wildtiere. Kay Schönfeld (OOWV-Regionalleiter beim Landkreis Vechta) berichtete, dass in den letzten Jahren die Wasserabnahme ab ca. 16 Uhr bis in den Abend hinein stetig angestiegen ist. Er erklärt sich dies durch einen gestiegenen Wasserverbrauch der privaten Haushalte für die Bewässerung des Gartens und die Befüllung von Pools. Mit Blick auf die Bewässerung lässt sich im Garten einiges den veränderten klimatischen Bedingungen anpassen: Standortgerechte Pflanzen, weniger bewässerungsintensiver Rasen, Bewässerung mit Regenwasser, entweder früh morgens oder spät abends und direkt an den Wurzeln wässern und nicht tagsüber und in hohem Bogen beregnen, weil dabei viel Wasser sofort wieder verdunstet. Regenwasser vom Dach kann gespeichert oder gleich im Garten verrieselt werden. Alexander Kunz (Klimaschutzmanager der Stadt Vechta) wies darauf hin, dass es von Seiten der Stadt Fördermittel für Zisternen, Gründächer, Fassadenbegrünung und Blühstreifen gibt. Die Förderung für Zisternen wird bereits gut angenommen. Außerdem gibt es einen Nachlass auf das Niederschlagswasserentgelt, wenn eine Dachbegrünung, Regenwassernutzungsanlage oder Versickerungsanlage nachgewiesen wird.
Weiter ging es in Richtung Bahnhof. Kurz vor der Bahnhofsbrücke wurde der Blick in die Baumkronen gerichtet. An dem ein oder anderen Baum zeigten sich schon Trockenschäden in Form von mehreren kahlen Zweigen. Bei der Überfahrt über die Brücke wurden allerdings auch zwei Positiv-Beispiele für Klimaschutz und Klimaanpassung sichtbar: eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Kinos und ein Gründach auf dem ibis-Hotel.
Als nächste Station sollte der Bahnhofsvorplatz angesteuert werden. Doch da es auf dem Bahnhofsvorplatz keine Bäume oder Schattenspender gibt, stellte sich die Gruppe auf der gegenüberliegenden Straßenseite in den Schatten und diskutierte die Gründe für solche planerischen Entscheidungen. Das Problem ist komplex und hat verschiedene Ursachen. Teilweise wird das Thema Klimaanpassung noch nicht ausreichend in der Planung mitgedacht. Auch spielen Kostenvoranschläge in der Bauleitplanung eine wichtige Rolle – und diese funktionieren nach dem Prinzip der geringsten Kosten und nicht nach dem Prinzip des sinnvollsten Entwurfs. Außerdem werden die Unterhaltungskosten von Laubbäumen gescheut. So kommt es auch, dass neue Wohngebiete teilweise völlig ohne Bäume geplant werden, weil die Anlieger die Vorteile von Bäumen nicht genug sehen und nur an den Aufwand des Laubharkens denken. Doch ist Faulheit wirklich die einzige Triebfeder bei menschlichen Entscheidungen? Vielleicht könnte in der Kommunikation und der Planung mehr Wert auf Motive wie Wohlbefinden, Gesundheit und Ästhetik gelegt werden. Öffentliche Liegenschaften sollten hier mit gutem Beispiel vorangehen.
Daraufhin radelte die Gruppe durch den Falkenweg zum Gewerbegebiet. Unterwegs waren große Parkplätze mit viel Versiegelung und gänzlich ohne Bäume zu sehen. Technische Lösungen zur Versickerung des Regenwassers auf solchen Flächen gibt es schon, sogenannte Rigolen können unter dem Pflaster verbaut werden. Sie nehmen das Regenwasser von Parkplätzen und Dachflächen auf und geben es langsam in den umgebenden Boden ab. Bäume oder aufgeständerte PV-Anlagen auf dem Parkplatz können Schatten bieten. Die Ideen und Möglichkeiten sind also da, sie müssen nur umgesetzt werden.
Von weiteren guten Möglichkeiten zu Klimaschutz und Klimaanpassung am Bau erfuhr die Gruppe beim Besuch der Firma Holzbau Ahmerkamp in der Oldenburger Straße. Fritz Rietkötter erklärte: Holz leitet Wärme kaum weiter (deshalb sind zum Beispiel auch Eisstiele aus Holz) – das macht wiederum Holzfasern zu einem guten Dämmmaterial. Ein weiterer Vorteil von Holz als Dämmmaterial ist der Energieeinsatz für die Produktion (graue Energie): Mineralische Dämmmaterialien haben eine weitaus höhere graue Energie, Holzfaserdämmstoffe können hingegen aus Restholz produziert werden. Außerdem ist Holz recyclingfähig und erzeugt keinen Sondermüll. Wichtig für den Klimaschutz ist, dass das Holz aus zertifizierten nachhaltigen Quellen stammt. Holz als Dämmmaterial bietet außerdem einen besseren Schallschutz, einen besseren Wärmespeicherwert und eine höhere Feuchtigkeitsdiffusion im Gegensatz zu mineralischer Dämmung. Neben fertigen Dämmmatten aus Holzfasern gibt es auch Thermoflock genanntes geschreddertes Papier zum Einblasen. Bei einem mit Holzfasern gedämmten Dach dringt die Wärme der Sonne erst nach etwa acht Stunden durch – ein klarer Vorteil in heißen Sommern.
Verschiedene Dämmstoffe aus Holzfasern. Foto: Katrin Hedemann
Holzbau hat außerdem den Vorteil, dass flexibles Anbauen, Umbauen oder Aufstocken möglich ist. Das ist besonders vor dem Hintergrund der wachsenden Bodenversiegelung in Deutschland relevant. Und schließlich braucht sich der Holzbau auch vor dem Argument Brandschutz nicht verstecken: Feuerwehrleute schätzen Holzhäuser sogar und bei ihnen gilt das Sprichwort „Ein Holzträger warnt mich, bevor ich darunter liege, ein Stahlträger nicht.“ – denn Holzträger knacken, bevor sie brechen.
Auch im Betrieb selbst hat das Unternehmen Maßnahmen zum Klimaschutz umgesetzt. Der CO2-Fußabdruck wird reduziert, indem Holzbauteile fertig zugeschnitten zum Kunden geliefert werden – so wird kein unnötiges Material transportiert. Holzverbindungen wie die traditionelle Schwalbenschwanz-Verbindung sparen Stahl und sind zugleich effizient, weil Bauteile schnell zusammenzustecken sind. Wände aus Holzständerwerk können auf diese Weise standardisiert produziert und wettergeschützt in einer Halle vormontiert werden. Der Aufbau auf der Baustelle selbst geht dann sehr schnell vonstatten.
Am Kreishaus hingegen – die nächste Station der Tour – zeigte sich das Gegenteil einer klimaangepassten Bauweise: große Glasfronten und fehlende Begrünung und Außenbeschattung. Dadurch heizen sich die Büros im Sommer stark auf.
Die Gruppe macht Halt am Immentunweg und spricht über Hochwasserschutz und Regenwassermanagement. Foto: Katrin Hedemann
Die nächste Station der Tour war das Hochwasserschutzgebiet am Immentunweg. Beata Punte vom Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) erläuterte: Die Zielkonflikte zwischen Naturschutz und Landwirtschaft sind gerade im Hochwasserschutz sehr spürbar. Das zeigte sich auch bei den Renatuierungsmaßnahmen an der Schlochter Bäke im Rahmen des LEADER-Projekts „Bachläufe (wieder)beleben – die Natur in der Region fördern“. Die Schlochter Bäke, die in den Vechtaer Moorbach entwässert, führt bei langanhaltenden und starken Regenereignissen sehr schnell, viel Wasser. Vor diesem Hintergrund wurden im Projekt seitens der Landwirtschaft einige Male die Angst vor Überschwemmungen der zahlreichen angrenzenden Agrarflächen und damit vor einem wirtschaftlichen Totalausfall geäußert. Allerdings neigt die Schlochter Bäke ebenso bei langen Trockenperioden dazu trocken zu fallen, so dass gewässertypische Flora und Fauna wenig bis gar keine Lebensgrundlage mehr finden. Gerade die Erfahrungen der letzten Dürresommer bewirken allmählich vor allem bei den eher sandigeren Standorten ein Umdenken, so dass zukünftig bei der Unterhaltung und Pflege des Gewässers nicht mehr nur das Abführen, sondern auch das Rückhalten des Wassers eine immer wichtigere Rolle spielen werden.
Kay Schönfeld vom OOWV ergänzte: 1998 gab es ein starkes Hochwasser, bei dem auch das Krankenhaus in Gefahr war. Ad hoc wurde damals der Moorbach mit Hilfe eines Verkehrsschildes an einer Engstelle aufgestaut. Heute liegen an solchen natürlichen Engstellen Stautafeln/Wehre. Vier Staubecken gibt es, die knapp unter fünf Meter Stauhöhe haben. 2007/2008 wurden die Staustufen des Moorbachs automatisiert. Und der Zitadellengraben, der in den Moorbach einfließt, soll ebenfalls eine Stautafel bekommen.
Das Thema Wassermanagement, besonders rund um das Drainieren oder Stauen, ist für die ganze Region von großer Bedeutung. Drainagen sind Fluch und Segen zugleich: 80 % der landwirtschaftlichen Flächen im LK Vechta sind drainiert. Die Ableitung von Wasser hat diese Böden in der Vergangenheit erst nutzbar gemacht. Die Kehrseite ist, dass dadurch die Grundwasserneubildung um 50 % verringert wird – 1 Mio. Liter Grundwasser pro Hektar gehen so verloren. Ein Problem ist auch, dass Drainagen weder einer Genehmigung unterliegen noch irgendwo verzeichnet sind. Andererseits, die Installation von Stauwehren ruft oft die Frage nach der Entschädigung der Flächeneigentümer (z.B. Land- und Forstwirte) hervor, deren Fläche im Falle eines Hochwassers von Überschwemmung durch das Aufstauen des Wassers betroffen wären. Diese Interessenskonflikte zeigen, wie wichtig es auch hier hier ist, alle Anlieger frühzeitig bei solchen Planungen einzubeziehen.
Als nächster Zwischenstopp stand das Gründach an der Universität Vechta auf dem Tour-Plan. Vor dem Haupteingang konnten der Aufwuchs auf dem Flachdach begutachtet und die Vor- und Nachteile von Gründächern diskutiert werden. So sind Gründächer im Bestand oft schwierig umsetzbar, wenn die Statik nicht ausreichend gegeben ist. Ein professioneller Aufbau mit einer wurzelfesten Unterfolie ist unerlässlich, aber das ist heutzutage in der Regel kein Problem mehr. Auch für schräge Dachflächen gibt es Lösungen mit speziellen Dachpfannen aus Kunststoff. Die gute Wärmedämmung, die im Winter Heizenergie spart und im Sommer das Haus kühl hält, kann im Frühjahr aber auch von Nachteil sein. Dadurch dringt weniger Sonnenenergie ins Haus, um die Wohnräume zu wärmen. Ein Vorteil hingegen ist, dass Gründächer bei Starkregen die Kanalisation entlasten, weshalb sie auch von der Stadt Vechta finanziell gefördert werden.
Gründach an der Uni Vechta. Foto: Katrin Hedemann
Kay Schönfeld stellte auch noch ein Projekt des OOWV vor, bei dem eine intelligente Regentonne entwickelt wird, welche ebenfalls zur Entlastung der Kanalisation bei Starkregen beitragen soll. Auf der Grundlage von Wettervorhersagen lässt die volle Regentonne schon eine halbe Stunde vor dem Starkregen Wasser ab, um dann wieder aufnahmefähig zu sein. Das gleiche Prinzip ließe sich auch für Regenrückhaltebecken anwenden. Diese könnten mit einer intelligenten Steuerung direkt vor starkem Niederschlag – und nur dann – Wasser ablassen. Ein Prototyp ist in Entwicklung.
Schließlich machte sich die Gruppe zur letzten Station der Tour in den Welper Wald auf. Dort zeigten der Waldbesitzer Clemens August Graf von Merveldt und der Förster Michael Rohling die Schäden an einigen Bäumen. In den letzten Jahren haben sie durch die Trockenheit massiv geschwächte Bestände, die dann anfällig für Windwurf und Borkenkäfer sind. Borkenkäfer sind Sekundärschädlinge, das heißt sie befallen bereits geschwächte Bäume, welche sich aufgrund der Trockenheit nicht mehr ausreichend durch Harzbildung schützen können. Nicht nur Fichten, sondern auch schon Lärchen sind von den Käfern befallen. Bei Douglasien wurde bisher noch kein Befall festgestellt.
Begutachtung der Schäden im Welper Wald. Foto: Hannah Hoff
Der Klimawandel bringt für Forstleute verschiedene, auch wirtschaftliche, Herausforderungen mit sich. Seit 2017 haben die Forstleute einen deutlichen Mehraufwand zu verzeichnen. 2017 war ein sehr nasses Jahr, in dem mit den Harvestern nicht auf dem nassen Boden gefahren werden konnte. 2018 gab es sehr viel Windwurf durch Stürme. Insgesamt waren das gute Bedingungen für die Vermehrung der Borkenkäfer, aber schlechte Bedingungen, um das Schadholz, also die Brutbäume der Käfer, rechtzeitig aus dem Wald zu holen und die Vermehrung zu unterbrechen. Bei einer großen Population befallen die Käfer auch gesunde Bäume. 2018 und 2019 waren dann wiederum sehr trockene Jahre, da gab es auch schon massiv abgestorbene Eichen. Zukünftig ist ein Komplettverlust der Fichten zu erwarten. Aufgeforstet wird z.B. mit Douglasien, die mit ihren Pfahlwurzeln besser an Wasserressourcen in tieferen Schichten heranreichen, und mit Lärchen. Beides sind klassische Hölzer eines Wirtschaftswaldes. Aber auch Buchen, Eichen und Edelkastanien werden gepflanzt – das Ziel ist ein resilienter Mischwald. Eine Herausforderung ist allerdings, Jungpflanzen zu bekommen, da insgesamt die Nachfrage sehr hoch ist. Und da es phasenweise schwierig war, das Schadholz auf dem Markt abzusetzen und die Holzpreise gleichzeitig sehr niedirig waren, wurde von den von Merveldts bereits eine Halle gebaut, um selbst Brennholz aufbereiten zu können.
Das Fazit am Ende der knapp 12km langen Tour war: Klimahandeln – wir müssen alle etwas tun und das möglichst schnell!
Am 22.06.2022 veranstaltete das TeRRIFICA-Team gemeinsam mit Alexander Kunz, dem Klimaschutzmanager der Stadt Vechta, eine Klima-Tour durch Vechta. Die Gruppe von 16 Personen radelte an diesem Nachmittag vom Zitadellenpark bis zum Welper Wald und machte unterwegs Station an verschiedenen Orten, um über sichtbare oder spürbare Folgen des Klimawandels und geeignete Klimaanpassungsmaßnahmen zu sprechen.
In passendem Ambiente stand bei der ersten Station im Zitadellenpark das Thema Klimaanpassung bei der Gartengestaltung im Fokus. Besonders ging es um das Thema Regenwasserspeicherung und -nutzung und um Lebensräume und Nahrung für Wildtiere. Kay Schönfeld (OOWV-Regionalleiter beim Landkreis Vechta) berichtete, dass in den letzten Jahren die Wasserabnahme ab ca. 16 Uhr bis in den Abend hinein stetig angestiegen ist. Er erklärt sich dies durch einen gestiegenen Wasserverbrauch der privaten Haushalte für die Bewässerung des Gartens und die Befüllung von Pools. Mit Blick auf die Bewässerung lässt sich im Garten einiges den veränderten klimatischen Bedingungen anpassen: Standortgerechte Pflanzen, weniger bewässerungsintensiver Rasen, Bewässerung mit Regenwasser, entweder früh morgens oder spät abends und direkt an den Wurzeln wässern und nicht tagsüber und in hohem Bogen beregnen, weil dabei viel Wasser sofort wieder verdunstet. Regenwasser vom Dach kann gespeichert oder gleich im Garten verrieselt werden. Alexander Kunz (Klimaschutzmanager der Stadt Vechta) wies darauf hin, dass es von Seiten der Stadt Fördermittel für Zisternen, Gründächer, Fassadenbegrünung und Blühstreifen gibt. Die Förderung für Zisternen wird bereits gut angenommen. Außerdem gibt es einen Nachlass auf das Niederschlagswasserentgelt, wenn eine Dachbegrünung, Regenwassernutzungsanlage oder Versickerungsanlage nachgewiesen wird.
Weiter ging es in Richtung Bahnhof. Kurz vor der Bahnhofsbrücke wurde der Blick in die Baumkronen gerichtet. An dem ein oder anderen Baum zeigten sich schon Trockenschäden in Form von mehreren kahlen Zweigen. Bei der Überfahrt über die Brücke wurden allerdings auch zwei Positiv-Beispiele für Klimaschutz und Klimaanpassung sichtbar: eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Kinos und ein Gründach auf dem ibis-Hotel.
Als nächste Station sollte der Bahnhofsvorplatz angesteuert werden. Doch da es auf dem Bahnhofsvorplatz keine Bäume oder Schattenspender gibt, stellte sich die Gruppe auf der gegenüberliegenden Straßenseite in den Schatten und diskutierte die Gründe für solche planerischen Entscheidungen. Das Problem ist komplex und hat verschiedene Ursachen. Teilweise wird das Thema Klimaanpassung noch nicht ausreichend in der Planung mitgedacht. Auch spielen Kostenvoranschläge in der Bauleitplanung eine wichtige Rolle – und diese funktionieren nach dem Prinzip der geringsten Kosten und nicht nach dem Prinzip des sinnvollsten Entwurfs. Außerdem werden die Unterhaltungskosten von Laubbäumen gescheut. So kommt es auch, dass neue Wohngebiete teilweise völlig ohne Bäume geplant werden, weil die Anlieger die Vorteile von Bäumen nicht genug sehen und nur an den Aufwand des Laubharkens denken. Doch ist Faulheit wirklich die einzige Triebfeder bei menschlichen Entscheidungen? Vielleicht könnte in der Kommunikation und der Planung mehr Wert auf Motive wie Wohlbefinden, Gesundheit und Ästhetik gelegt werden. Öffentliche Liegenschaften sollten hier mit gutem Beispiel vorangehen.
Daraufhin radelte die Gruppe durch den Falkenweg zum Gewerbegebiet. Unterwegs waren große Parkplätze mit viel Versiegelung und gänzlich ohne Bäume zu sehen. Technische Lösungen zur Versickerung des Regenwassers auf solchen Flächen gibt es schon, sogenannte Rigolen können unter dem Pflaster verbaut werden. Sie nehmen das Regenwasser von Parkplätzen und Dachflächen auf und geben es langsam in den umgebenden Boden ab. Bäume oder aufgeständerte PV-Anlagen auf dem Parkplatz können Schatten bieten. Die Ideen und Möglichkeiten sind also da, sie müssen nur umgesetzt werden.
Von weiteren guten Möglichkeiten zu Klimaschutz und Klimaanpassung am Bau erfuhr die Gruppe beim Besuch der Firma Holzbau Ahmerkamp in der Oldenburger Straße. Fritz Rietkötter erklärte: Holz leitet Wärme kaum weiter (deshalb sind zum Beispiel auch Eisstiele aus Holz) – das macht wiederum Holzfasern zu einem guten Dämmmaterial. Ein weiterer Vorteil von Holz als Dämmmaterial ist der Energieeinsatz für die Produktion (graue Energie): Mineralische Dämmmaterialien haben eine weitaus höhere graue Energie, Holzfaserdämmstoffe können hingegen aus Restholz produziert werden. Außerdem ist Holz recyclingfähig und erzeugt keinen Sondermüll. Wichtig für den Klimaschutz ist, dass das Holz aus zertifizierten nachhaltigen Quellen stammt. Holz als Dämmmaterial bietet außerdem einen besseren Schallschutz, einen besseren Wärmespeicherwert und eine höhere Feuchtigkeitsdiffusion im Gegensatz zu mineralischer Dämmung. Neben fertigen Dämmmatten aus Holzfasern gibt es auch Thermoflock genanntes geschreddertes Papier zum Einblasen. Bei einem mit Holzfasern gedämmten Dach dringt die Wärme der Sonne erst nach etwa acht Stunden durch – ein klarer Vorteil in heißen Sommern.
Holzbau hat außerdem den Vorteil, dass flexibles Anbauen, Umbauen oder Aufstocken möglich ist. Das ist besonders vor dem Hintergrund der wachsenden Bodenversiegelung in Deutschland relevant. Und schließlich braucht sich der Holzbau auch vor dem Argument Brandschutz nicht verstecken: Feuerwehrleute schätzen Holzhäuser sogar und bei ihnen gilt das Sprichwort „Ein Holzträger warnt mich, bevor ich darunter liege, ein Stahlträger nicht.“ – denn Holzträger knacken, bevor sie brechen.
Auch im Betrieb selbst hat das Unternehmen Maßnahmen zum Klimaschutz umgesetzt. Der CO2-Fußabdruck wird reduziert, indem Holzbauteile fertig zugeschnitten zum Kunden geliefert werden – so wird kein unnötiges Material transportiert. Holzverbindungen wie die traditionelle Schwalbenschwanz-Verbindung sparen Stahl und sind zugleich effizient, weil Bauteile schnell zusammenzustecken sind. Wände aus Holzständerwerk können auf diese Weise standardisiert produziert und wettergeschützt in einer Halle vormontiert werden. Der Aufbau auf der Baustelle selbst geht dann sehr schnell vonstatten.
Am Kreishaus hingegen – die nächste Station der Tour – zeigte sich das Gegenteil einer klimaangepassten Bauweise: große Glasfronten und fehlende Begrünung und Außenbeschattung. Dadurch heizen sich die Büros im Sommer stark auf.
Die nächste Station der Tour war das Hochwasserschutzgebiet am Immentunweg. Beata Punte vom Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) erläuterte: Die Zielkonflikte zwischen Naturschutz und Landwirtschaft sind gerade im Hochwasserschutz sehr spürbar. Das zeigte sich auch bei den Renatuierungsmaßnahmen an der Schlochter Bäke im Rahmen des LEADER-Projekts „Bachläufe (wieder)beleben – die Natur in der Region fördern“. Die Schlochter Bäke, die in den Vechtaer Moorbach entwässert, führt bei langanhaltenden und starken Regenereignissen sehr schnell, viel Wasser. Vor diesem Hintergrund wurden im Projekt seitens der Landwirtschaft einige Male die Angst vor Überschwemmungen der zahlreichen angrenzenden Agrarflächen und damit vor einem wirtschaftlichen Totalausfall geäußert. Allerdings neigt die Schlochter Bäke ebenso bei langen Trockenperioden dazu trocken zu fallen, so dass gewässertypische Flora und Fauna wenig bis gar keine Lebensgrundlage mehr finden. Gerade die Erfahrungen der letzten Dürresommer bewirken allmählich vor allem bei den eher sandigeren Standorten ein Umdenken, so dass zukünftig bei der Unterhaltung und Pflege des Gewässers nicht mehr nur das Abführen, sondern auch das Rückhalten des Wassers eine immer wichtigere Rolle spielen werden.
Kay Schönfeld vom OOWV ergänzte: 1998 gab es ein starkes Hochwasser, bei dem auch das Krankenhaus in Gefahr war. Ad hoc wurde damals der Moorbach mit Hilfe eines Verkehrsschildes an einer Engstelle aufgestaut. Heute liegen an solchen natürlichen Engstellen Stautafeln/Wehre. Vier Staubecken gibt es, die knapp unter fünf Meter Stauhöhe haben. 2007/2008 wurden die Staustufen des Moorbachs automatisiert. Und der Zitadellengraben, der in den Moorbach einfließt, soll ebenfalls eine Stautafel bekommen.
Das Thema Wassermanagement, besonders rund um das Drainieren oder Stauen, ist für die ganze Region von großer Bedeutung. Drainagen sind Fluch und Segen zugleich: 80 % der landwirtschaftlichen Flächen im LK Vechta sind drainiert. Die Ableitung von Wasser hat diese Böden in der Vergangenheit erst nutzbar gemacht. Die Kehrseite ist, dass dadurch die Grundwasserneubildung um 50 % verringert wird – 1 Mio. Liter Grundwasser pro Hektar gehen so verloren. Ein Problem ist auch, dass Drainagen weder einer Genehmigung unterliegen noch irgendwo verzeichnet sind. Andererseits, die Installation von Stauwehren ruft oft die Frage nach der Entschädigung der Flächeneigentümer (z.B. Land- und Forstwirte) hervor, deren Fläche im Falle eines Hochwassers von Überschwemmung durch das Aufstauen des Wassers betroffen wären. Diese Interessenskonflikte zeigen, wie wichtig es auch hier hier ist, alle Anlieger frühzeitig bei solchen Planungen einzubeziehen.
Als nächster Zwischenstopp stand das Gründach an der Universität Vechta auf dem Tour-Plan. Vor dem Haupteingang konnten der Aufwuchs auf dem Flachdach begutachtet und die Vor- und Nachteile von Gründächern diskutiert werden. So sind Gründächer im Bestand oft schwierig umsetzbar, wenn die Statik nicht ausreichend gegeben ist. Ein professioneller Aufbau mit einer wurzelfesten Unterfolie ist unerlässlich, aber das ist heutzutage in der Regel kein Problem mehr. Auch für schräge Dachflächen gibt es Lösungen mit speziellen Dachpfannen aus Kunststoff. Die gute Wärmedämmung, die im Winter Heizenergie spart und im Sommer das Haus kühl hält, kann im Frühjahr aber auch von Nachteil sein. Dadurch dringt weniger Sonnenenergie ins Haus, um die Wohnräume zu wärmen. Ein Vorteil hingegen ist, dass Gründächer bei Starkregen die Kanalisation entlasten, weshalb sie auch von der Stadt Vechta finanziell gefördert werden.
Kay Schönfeld stellte auch noch ein Projekt des OOWV vor, bei dem eine intelligente Regentonne entwickelt wird, welche ebenfalls zur Entlastung der Kanalisation bei Starkregen beitragen soll. Auf der Grundlage von Wettervorhersagen lässt die volle Regentonne schon eine halbe Stunde vor dem Starkregen Wasser ab, um dann wieder aufnahmefähig zu sein. Das gleiche Prinzip ließe sich auch für Regenrückhaltebecken anwenden. Diese könnten mit einer intelligenten Steuerung direkt vor starkem Niederschlag – und nur dann – Wasser ablassen. Ein Prototyp ist in Entwicklung.
Schließlich machte sich die Gruppe zur letzten Station der Tour in den Welper Wald auf. Dort zeigten der Waldbesitzer Clemens August Graf von Merveldt und der Förster Michael Rohling die Schäden an einigen Bäumen. In den letzten Jahren haben sie durch die Trockenheit massiv geschwächte Bestände, die dann anfällig für Windwurf und Borkenkäfer sind. Borkenkäfer sind Sekundärschädlinge, das heißt sie befallen bereits geschwächte Bäume, welche sich aufgrund der Trockenheit nicht mehr ausreichend durch Harzbildung schützen können. Nicht nur Fichten, sondern auch schon Lärchen sind von den Käfern befallen. Bei Douglasien wurde bisher noch kein Befall festgestellt.
Der Klimawandel bringt für Forstleute verschiedene, auch wirtschaftliche, Herausforderungen mit sich. Seit 2017 haben die Forstleute einen deutlichen Mehraufwand zu verzeichnen. 2017 war ein sehr nasses Jahr, in dem mit den Harvestern nicht auf dem nassen Boden gefahren werden konnte. 2018 gab es sehr viel Windwurf durch Stürme. Insgesamt waren das gute Bedingungen für die Vermehrung der Borkenkäfer, aber schlechte Bedingungen, um das Schadholz, also die Brutbäume der Käfer, rechtzeitig aus dem Wald zu holen und die Vermehrung zu unterbrechen. Bei einer großen Population befallen die Käfer auch gesunde Bäume. 2018 und 2019 waren dann wiederum sehr trockene Jahre, da gab es auch schon massiv abgestorbene Eichen. Zukünftig ist ein Komplettverlust der Fichten zu erwarten. Aufgeforstet wird z.B. mit Douglasien, die mit ihren Pfahlwurzeln besser an Wasserressourcen in tieferen Schichten heranreichen, und mit Lärchen. Beides sind klassische Hölzer eines Wirtschaftswaldes. Aber auch Buchen, Eichen und Edelkastanien werden gepflanzt – das Ziel ist ein resilienter Mischwald. Eine Herausforderung ist allerdings, Jungpflanzen zu bekommen, da insgesamt die Nachfrage sehr hoch ist. Und da es phasenweise schwierig war, das Schadholz auf dem Markt abzusetzen und die Holzpreise gleichzeitig sehr niedirig waren, wurde von den von Merveldts bereits eine Halle gebaut, um selbst Brennholz aufbereiten zu können.
Das Fazit am Ende der knapp 12km langen Tour war: Klimahandeln – wir müssen alle etwas tun und das möglichst schnell!